Die Flucht einer Gutshofgemeinschaft
Am 29. Januar 1945 begibt sich eine Gemeinschaft – der „Elisenhof-Treck“ – aus zwölf Familien und zwei französischen Kriegsgefangenen auf die Flucht aus Pommern vor der herannahenden Roten Armee.
Bereits im Dezember und verstärkt im Januar kündigen sich erste Vorboten der bevorstehenden Flucht von Elisenhof an. Flüchtlingstrecks aus Ostpreußen ziehen vorbei und manchmal übernachten sie auch auf Elisenhof. Auch wenn die täglichen Radioberichte von der Front durch propagandistische Siegesmeldungen geschönt sind, wird bald klar, dass die Front näher rückt.
Am 21. Januar 1945 erlassen die Behörden schließlich den sogenannten Packbefehl und ordnen auch für Elisenhof an, sich auf die Flucht vorzubereiten. Aus Holzstangen, Planen und Teppichen werden drei Gummiwagen mit Verdecken versehen. Da zwölf Familien auf den Wagen Platz finden müssen, kann nur das Nötigste mitgenommen werden, vor allem Lebensmittel. Neben den drei Gummiwagen wird ein Leiterwagen mit Heu und Futter für die 14 Pferde beladen. Niemand weiß, wohin die Flucht führen und wie lange sie dauern wird.
Der Tag an dem die Flucht von Elisenhof dann tatsächlich beginnt, ist der 29. Januar 1945. Der damals 7 1/2-jährige Waldemar Lück erinnert sich später an diesen Tag. In seinen Fluchterinnerungen schreibt er dazu:
Der 29. Januar 1945 war ein eiskalter Tag. Das Thermometer fiel unter minus 25 Grad. Das Donnern der Kanonen und Geschütze war schon bedrohlich nahe. In der Küche bellten und winselten unsere Hunde. Ich lag im Kinderbett neben dem Doppelbett meiner Eltern. Spät schlief ich ein und wurde durch ein Klopfen an die Fensterscheibe wach. Eine Stimme rief: “In einer Stunde fertig sein!”Waldemar Lück in “Flucht von Elisenhof nach Essenrode”
Nachdem alle Familien geweckt sind, versammeln sie sich auf dem Gutshof und besteigen in einer zuvor festgelegten Verteilung die Wagen. Zwei auf dem Gut zur Arbeit eingesetzte französische Kriegsgefangene, die Brüder Bonuelle, wollen unter keinen Umständen von den Russen „befreit“ werden und schließen sich ebenfalls dem Fluchttreck an. Als Wagenlenker haben sie großen Anteil am Gelingen der Flucht.
Während der Gutsbesitzer Theophil Boettcher als Offizier im Krieg ist, übernimmt seine Frau Gerta Boettcher die Treckführung, unterstützt von Waldemar Lücks Vater Emil. Zur Orientierung im Gelände erweist sich zunächst ein Diercke-Atlas, der sich unter den Schulsachen von Waldemars Bruder Gerhard befindet, als sehr hilfreich.
In eiskalter Nacht setzt sich der Treck schließlich in westlicher Richtung in Bewegung. Gerade noch rechtzeitig erreicht der 16-jährige Kurt Nehring den schon im Aufbruch befindlichen Treck. Trotz seines jungen Alters war er dienstverpflichtet worden.
In dieser Nacht musste er [Kurt Nehring] Militärgut von Preußisch Friedland nach Linde transportieren. Kurz vor dem Ziel sagten Entgegenkommende, dass Linde bereits von der russischen Armee besetzt worden sei. Er wollte wenden, aber auf der engen Straße fuhr er in den Graben und saß im Schnee fest. Kurzentschlossen machte er sich zu Fuß auf den etwa 8 km langen Weg nach Hause. Unterwegs erfuhr er, dass das Gut Elisenhof schon im Aufbruch begriffen sei. So rannte er das letzte Stück quer über das Feld, immer in der Angst, zu spät zu kommen. Jetzt galt er als Fahnenflüchtiger und musste auf der gesamten Flucht versteckt gehalten werden.Waldemar Lück in “Flucht von Elisenhof nach Essenrode”
In eiskalter sternenklarer Nacht setzt sich der Treck in Richtung Peterswalde in Bewegung. Peterswalde wird noch in der Nacht erreicht. Weiter geht es in nördlicher Richtung nach Ratzebuhr. Als der Treck gegen Mittag dort ankommt, zeigen sich schon erste Spuren bei Mensch und Tier. Die ersten Kinder haben Fieber bekommen und auch die Pferde brauchen eine Pause. Aus Angst vor Plünderern wird der Treck stets bewacht. Weiter geht es schließlich in der nächsten Nacht nach Neustettin. Der Frontverlauf und der Vorstoß der russischen Truppen macht eine Ausweichbewegung in Richtung Norden erforderlich.
In der Kreisstadt Neustettin will ein hoher NS-Funktionär die Flüchtenden mit Durchhalteparolen von der weiteren Flucht abhalten. Flüchtlinge aus dem Kreis Schlochau will er wieder zurück in ihre Heimatorte schicken.
Als der Himmel in südlicher Richtung glutrot leuchtet und die Geschützfeuer deutlich zu hören sind, gibt es keinen Zweifel mehr: Ratzebuhr brennt und die Front ist ganz nah.
In einem kleinen Dorf zwischen Neustettin und Bärwalde muss den Pferden eine Verschnaufpause gegönnt werden. Die Bewohner des Dorfes sind bereits geflohen und der ganze Ort ist voller Flüchtlinge. Am Nachmittag des 2. Februars erreicht der Treck Bärwalde. Von hier führt der Weg durch schwieriges Gelände nach Zwirnitz.
Nach den Strapazen der vergangenen Tage war es wichtig, wieder Kraft zu schöpfen. Außerdem war die Front zum Stillstand gekommen. So sollten einige Tage Pause eingelegt werden. Man hofft ja immer noch, wieder in die Heimat zurückkehren zu können. Waldemar Lück in “Flucht von Elisenhof nach Essenrode”
Was zunächst niemand ahnt, der Aufenthalt in Zwirnitz dauert vom 2. Februar bis zum 1. März. Zwischenzeitlich erkranken weitere Treckmitglieder schwer. Ein Arzt ist nicht aufzutreiben. In einer Apotheke der acht Kilometer entfernten Kleinstadt Groß Rambin scheitert der Versuch, zumindest ein paar Medikamente zu beschaffen. Immerhin bekommt man verschiedene Teesorten und ein kleines Tütchen getrockneter Blaubeeren. Schließlich beginnt es wieder zu schneien und die Temperaturen sind weiterhin eisig kalt.
Zeitungen gibt es nicht mehr und ein Radio steht nicht zur Verfügung. In einer nahegelegenen Mühle, in der auch Elektrizität erzeugt wird, gelingt es schließlich doch, ab und an Radio zu hören. Als die russische Armee bereits bei Küstrin die Oder erreicht, wird zum Aufbruch gedrängt, der aus einem besonderen Grund schwer fällt. Der Verwalter des Gutes Elisenhof ist an einer Lungenentzündung erkrankt und liegt im Krankenhaus in Groß Rambin. Man besucht den im Sterben liegenden Inspektor ein letztes Mal im Krankenhaus, der am darauffolgenden Tag verstirbt.
Erneut wird alles auf den Planwagen verstaut und die Flucht am 1. März 1945 fortgesetzt. An Bad Polzin vorbei geht es Richtung Stolzenberg. Zwischenzeitlich haben sich im Treck Kleiderläuse ausgebreitet, was das Risiko einer Typhus-Erkrankung für alle erhöht.
Am nächsten Tag geht es weiter in Richtung Oder. In Plathe ändert der Treck seine Route und zieht weiter in Richtung Norden, was sich kurze Zeit später jedoch als Fehler erweist. Der Treck kehrt wieder um und über Plathe geht es weiter nach Naugard. Das nächste Ziel, dass es über die von Pferdefuhrwerken und Flüchtlingen überfüllten Straßen zu erreichen gilt, ist Gollnow. Zur Verwunderung der Flüchtenden müssen sie immer wieder Platz machen für Militärfahrzeuge, die offensichtlich auf dem Rückzug in Richtung Westen sind.
Gegen Abend mussten alle Flüchtlingswagen in einen Wald vor Gollnow fahren, um die Straßen frei zu halten. Man sagte, es würden Panzerkolonnen kommen. Ich kann mich noch gut an jenen Abend erinnern. Geschützdonner war deutlich zu hören. Granaten zischten über die Bäume hinweg. Viele Flüchtlinge waren vom Wagen gestiegen und suchten neben den Wagen oder unter großen Bäumen Schutz.
Die deutschen Truppen zogen sich hinter die Oder zurück. Der Oderübergang bei Gollnow war nicht mehr passierbar. Waldemar Lück in “Flucht von Elisenhof nach Essenrode”
Anhand von Kartenmaterial, das man von Wehrmachtssoldaten erhalten hatte, macht sich der Treck in aller Heimlichkeit und Stille in der Nacht auf den Weg nach Norden. Dem Treck voran geht Frau Klabunde mit einer abgedunkelten Laterne durch die stockfinstere Nacht. Lautlos und nur durch Zeichen verständigt man sich. Ein gespenstischer Zug durch den dunklen Wald, bei dem kein Wort gesprochen wird und nur das dumpfe Stampfen der Pferdehufe auf dem Schneeboden zu hören ist. So geht es die ganze Nacht hindurch bis man schließlich in einem Fischerdorf ankommt.
Die Nähe der Front erzeugt im Treck Unruhe, so dass die geplante Rast für die Pferde und auch für die Menschen nur kurz ist. Der Treck setzt sich in Richtung Wollin in Bewegung. Da das Gebiet hier bereits mit vielen Panzersperren versehen ist, brauchen die Wagenlenker ihr ganzes Können und Geschick, um die Hindernisse zu umfahren. Für die 27 Kilometer lange Strecke über die Insel Wollin nach Swinemünde braucht der Treck schließlich zehn Tage. Die Straßen sind derart überfüllt, dass der Treck an manchen Tagen nur wenige Meter vorankommt.
Man musste auf den Wagen übernachten, was wegen der Enge und Kälte beschwerlich war. Ein großes Problem war die Ernährung. Lebensmittel gab es weit und breit nicht, auch kein Brot. Man musste von den Vorräten leben, die man mitgenommen hatte. Ab und zu wurde am Wegrand ein Feuer gemacht und aus geschmolzenem Schnee ein heißer Tee gekocht. Die Pferde standen Tag und Nacht im Geschirr. Waldemar Lück in “Flucht von Elisenhof nach Essenrode”
Die Strapazen der Flucht sollten aber noch weitere, weitaus größere Opfer fordern. Bei den Strapazen, der Kälte, der ungenügenden Ernährung und den unzureichenden hygienischen Verhältnissen erkranken immer mehr Menschen, vor allem die ohnehin geschwächten Kleinkinder. So erkrankt die zweijährige Christa Orthmann vermutlich an einer Lungenentzündung. Sie stirbt am 8. März in den Armen ihrer Mutter Hedwig auf dem Fluchtwagen in der Nähe des Ortes Misdroy.
Es war nicht möglich, in dem gefrorenen Boden ein Grab auszuheben. Deshalb trug es die Mutter in Begleitung einiger Mädchen in den nächstgelegenen Ort. Das war das Ostseebad Misdroy, mehrere Kilometer entfernt. Dort wurde der Leichnam den Behörden übergeben. Auf die Beerdigung zu warten war nicht möglich, weil der Treck weiterfahren musste. Man versprach aber, das Kind würdevoll zu bestatten. Waldemar Lück in “Flucht von Elisenhof nach Essenrode”
Wieder unterwegs muss der Treck vor Swinemünde tagelang auf eine Überfahrt über die Swine warten. Um den Flüchtlingsstrom zu bewältigen, war eine Pontonbrücke über die Swine gelegt worden, die jedoch defekt und nicht passierbar ist. Nun bleibt nur die Möglichkeit, mit einer Fähre ans andere Ufer zu kommen. Nach einer erneuten Nacht des Wartens setzt der Treck am nächsten Morgen über. Der gefährlichste Teil der Oderüberquerung ist geschafft.
Tausende von Flüchtlingen aus dem Osten – aus Ost- und Westpreußen sowie Pommern – sind in diesen Märztagen auf der Flucht und versuchen, durch eines der letzten noch offenen Nadelöhre ihre Flucht in den Westen fortzusetzen. Der Elisenhof-Treck versucht, die verstopften Straßen zu meiden und zieht weiter über die Insel Usedom vorbei an den Ostseebädern Ahlbeck, Heringsdorf und Bansin. Am nächsten Abend und in der darauffolgenden Nacht wird der Himmel am Horizont von hellem Feuerschein erhellt, die Folgen des verheerenden Luftangriffes am Mittag des 12. März auf Swinemünde sind weithin zu sehen. Der Angriff gilt dem U-Boot-Flottenstützpunkt. Wie sich später jedoch herausstellen wird, sind unzählige Flüchtlinge die Leidtragenden. 4500 bis 6000 Menschen verlieren dabei ihr Leben. Einen Tag früher und auch der Elisenhof-Treck wäre wahrscheinlich unter den Opfern gewesen.
Der Treck setzt seine Flucht durch die Kleinstadt Usedom fort und quert die Peene, den dritten Mündungsarm der Oder. In Anklam sucht der Treck erstmals eine der sogenannten Flüchtlingsleitstellen auf. Hier gibt es für den Treck neben dem nächsten Fahrziel auch eine warme Suppe.
Die Aufgabe der Flüchtlingsleitstellen in diesen letzten chaotischen Kriegstagen besteht darin, den verschiedenen Trecks Fahrziele zu geben, damit einzelne Straßen nicht überlastet werden und die vielen Flüchtlinge schließlich auf viele Orte verteilt werden können. Von nun an wird der Treck von Leitstelle zu Leitstelle weitergeleitet.
Über Friedland führt der Weg weiter nach Neubrandenburg. Und auch hier zeigt sich erneut die zerstörerische Unerbittlichkeit des Krieges und der sich daraus auch für die Elisenhof-Gemeinschaft ergebenden Folgen. Waldemar Lück schildert die Ereignisse jenes Tages bei Friedland.
Frau Seringhaus hatte zehn Kinder. Ihr Mann und der älteste Sohn waren beim Militär, der Zweitälteste beim Reichsarbeitsdienst. Sie war hochschwanger und musste mit acht minderjährigen Kindern auf die Flucht gehen. In der Nähe von Friedland setzten die Wehen ein. So wurde auf dem Fluchtwagen ihr elftes Kind geboren. Sie musste ärztlich versorgt werden. Sie blieb mit ihren Kindern in einem Dorf. All ihr Hab und Gut ließ sie auf dem Wagen zurück, weil sie gleich nachkommen wollte. Das war eine völlig unrealistische Vorstellung, denn zu diesem Zeitpunkt wusste niemand, wohin es gehen würde. Später erfuhren wir, dass die Familie in einem Flüchtlingslager in der Nähe von Friedland aufgenommen wurde. Dieses Lager wurde bombardiert. So ist wohl die ganze Familie umgekommen. Waldemar Lück in “Flucht von Elisenhof nach Essenrode”
Als sei nicht alles ohnehin schon schrecklich genug, muss der Treck seine Flucht inmitten dieser menschlichen Tragödie fortsetzen.
Der Weg führt über Neubrandenburg nach Waren an der Müritz. Zwischenzeitlich ist es wärmer geworden und das erste zarte Grün der Wiesen und Wälder zeigt sich. Übernachtet wird meist auf Bauernhöfen in einem Strohlager in Scheunen oder Ställen. Der Mangel an Pferdefutter lässt die Tiere mehr und mehr abmagern. Einige von ihnen überleben diese Strapazen nicht. Und so ist es immer wieder sehr traurig, wenn eines der Tiere, das in diesen schweren Wochen zum treuen Begleiter geworden ist, sich nicht mehr erheben kann und völlig entkräftet zurückgelassen werden muss.
In diesen Märztagen des Jahres 1945 dauert die Flucht, die am 29. Januar begonnen hatte, nun schon einige Wochen an und hat ihre Opfer gefordert. Zu Ende ist die Flucht jedoch noch immer nicht. Der Weg führt den Treck durch Mecklenburg und die Städte Malchow, Plau am See, Parchim und Ludwiglust.
In einem Wald hinter Ludwiglust gibt es dann erneut Fliegeralarm. Die Wagen verstecken sich so gut es geht unter hohen Bäumen. Alle verlassen die Wagen und laufen zum Schutz in den Wald hinein. Die Angst vor den Tieffliegern ist groß. Danach steht eine weitere gefährliche Herausforderung bevor: Die Überquerung der Elbe bei Dömitz.
Die Angst war groß, von den Tieffliegern auf der langen Brücke beschossen zu werden. Deshalb durfte niemand außer den Wagenlenkern bei der Fahrt über die Brücke auf den Wagen bleiben. Meine Schwester Magdalene holte alle jüngeren Kinder an der Uferböschung zusammen. Wir warteten bis die Wagen und die Erwachsenen die Brücke ohne Zwischenfälle überquert hatten. Als alles ruhig blieb, gingen wir dann auch über die Brücke. Einige Tage später wurde die Brücke bei einem Luftangriff zerstört. Waldemar Lück in “Flucht von Elisenhof nach Essenrode”
Der Treck ist nun seit fast zwei Monaten auf der Flucht. Weiter führt der Weg von Flüchtlingsleitstelle zu Flüchtlingsleitstelle in Richtung Süden durch das Wendland über Dannenberg, Lüchow bis nach Uelzen. Während der Weg von Uelzen über Bodenteich nach Wittingen führt, erfährt der Treck, dass man eine vorläufige Bleibe im Landkreis Gifhorn finden soll. Aber auch in Wittingen wird der Treck weitergeschickt. Das Dorf Grassel wird nun als Zielort genannt. Die Gemeinschaft des Elisenhof-Trecks übernachtet ein letztes Mal gemeinsam in einer Gaststätte in Kästorf in der Nähe des Volkswagenwerkes.
Ich kann mich erinnern, dass wir kurz vor dem Ziel noch ein entkräftetes Pferd zurück lassen mussten. Über Warmenau und Sandkamp kamen wir nach Fallersleben.
Es war der 28. März, ein schöner Frühlingstag. Gegen Abend kamen wir durch Essenrode, dem letzten Dorf vor unserem Bestimmungsort Grassel. Waldemar Lück in “Flucht von Elisenhof nach Essenrode”
Der Treck nähert sich seinem Ziel Grassel, aber es gibt eine Planänderung. Der Bürgermeister und der Ortsgruppenleiter von Essenrode stoppen den Treck. Sie erzählen der Elisenhof Gemeinschaft, dass Grassel bereits überfüllt ist. Ihr neues Ziel ist Essenrode.
Am 28. März 1945 endet die Flucht vom Elisenhof, die am 29. Januar begann, nun in Essenrode. Die Familien vom Elisenhof werden auf die Familien des Ortes verteilt. Die Verteilung läuft nicht ohne Protest der aufnehmenden Familien, da der Ort zu diesem Zeitpunkt schon fast so viele Flüchtlinge wie Einwohner aufgenommen hat. Schließlich bekommen aber alle ein Dach über dem Kopf.
Während die Flucht vom Elisenhof zu Ende ist, dauert der Krieg immer noch an. Selbst die älteren Männer, die im Elisenhof-Treck angekommen sind, werden noch zum Volkssturm eingezogen und sollen den Militärflugplatz in Wesendorf verteidigen. Sie werden in einer Kaserne untergebracht und in der darauf folgenden Nacht wird der Flugplatz bombardiert und völlig zerstört. Während sich die amerikanischen Truppen nähern, machen sich die Männer in der dunklen Nacht, die immer wieder durch Bombenexplosionen erhellt wird, zu Fuß auf den Rückweg nach Essenrode.
Den für ihn letzten Kriegstag und die Erlebnisse der „alten Männer“ von Elisenhof wird Waldemar Lück später so beschreiben:
Da sie alle dienstverpflichtet waren, machten sie sich am Montag wieder auf den Weg nach Wesendorf. Dort trafen sie auf einen Offizier. “Was macht ihr denn hier?” sagte er. “Hier gibt es nichts mehr zu schützen. Die Amerikaner stehen schon vor der Tür. Kehrt um und geht nach Hause.”
Von Allenbüttel aus gingen sie auf Feldwegen und über die Wiesen. Vom Tal aus sahen sie, dass amerikanische Panzer schon vor dem Dorf hielten. Immer Deckung suchend, um nicht zu guter Letzt noch in Gefangenschaft zu geraten, gingen sie ins Dorf und kamen dort völlig entkräftet am Vormittag an.
An diesem Tag kamen die Amerikaner ins Dorf. Für uns war der Krieg zu Ende. Waldemar Lück in “Flucht von Elisenhof nach Essenrode”
Am 11. April 1945 endet mit dem Einzug der amerikanischen Soldaten in Essenrode der Krieg.
Einen Monat später endet mit der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht der Zweite Weltkrieg in Europa. Der verbrecherische Angriffskrieg Nazi-Deutschlands und die Gräueltaten im Namen der nationalsozialistischen Ideologie haben damit ein Ende.
Die Folgen des Krieges und das Erlebte werden viele Menschen ihr Leben lang begleiten – auch jene aus der Elisenhof-Gemeinschaft. Einiges davon kann verarbeitet werden, anderes wirkt weiter, auch über die Generationen hinaus.
Dank
Wir danken Waldemar Lück und allen anderen, die dazu beigetragen haben, die Erlebnisse der Elisenhof-Gemeinschaft für uns als nachfolgende Generationen erfahrbar zu machen. Es gibt uns die Möglichkeit, ihnen und dem was sie uns zu sagen haben, aufrichtig zuzuhören, und das Erlebte miteinander zu teilen – für eine bessere Zukunft.